Noch eine Vorbemerkung:
Das soll kein Leitfaden für die Ausbildung eines Hundes sein, sondern ich will lediglich
das Warum und Wie bei der Ausbildung von Diddl schildern. Daß man es auch ganz anders machen
kann und daß viele Hundeführer mit einer anderen Art und Weise des Trainings mit ihrem Hund ein
deutlich besseres Team als wir geworden sind, ändert nichts daran, daß wir es totzdem, wie anschließend
geschildert, eben so gemacht haben.
Weiterhin ist auch klar, daß die Hunde
von ihren Eigenschaften her auch völlig unterschiedlich sein können. Wann man allerdings
erkennt, welche spezifischen Eigenschaften der eigene Hund im Agility nun hat,
ist noch eine ganz andere Frage. Für welchen Weg man sich auch
immer entscheidet, sollte man die eigenen Fähigkeiten richtig einschätzen und sich eher
daran orientieren.
Wer zu der gar nicht so kleinen Gruppe der Bewegungs-Legasthenikern ohne
viel Gespür für die Interaktionen Mensch - Hund beim Agility gehört, muß bezüglich Methodik und
Lerntempo sicherlich anders vorgehen als Bewegungstalente mit dieser Kenntnis. Da es sich
beim Führen eines Hundes im Agility weitgehend um psychomotorische Abläufe handelt die nicht
kognitiv zu erwerben sind, muß der zu der ersten Gruppe gehörende Hundführer in diese Abläufe
langsam hineinwachsen. Also nicht das erste Mal mit der Seilbahn auf den Berg fahren, die
Ski anschnallen und heißa los geht's nach unten.
Ende März 2002 war es soweit, Diddl machte seine ersten Agility-Gehversuche. Da auf unserem
Trainingsplatz zu dieser Jahreszeit noch kein Training möglich ist, entweder liegt noch Schnee
oder der Boden ist matschig und nicht begehbar - wer bei der WM-Quali 2005 in Moorbad Münster
dabei war, weiß was ich meine. Also sind wir jede Woche 2 bis 3 Mal zum Hundeplatz
gefahren. 68 km hin, vielleicht 10 Minuten Training, 68 km zurück, eine zeitaufwendige und
durchaus nicht billige Angelegenheit. Dort haben wir bei jedem Training den Gassen-Slalom
ein paar Mal gemacht und das Einzelgeräte-Training.
Wie ich schon in dem Kapitel 'Trainings-Grundsätze' angedeutet habe, hatte ich zum damaligen
Zeitpunkt ein tiefes Mißtrauen in meine Fähigkeiten als Hundeführer. Von meinem ersten Hund
im Agility, 'Trudel-Bunny', war ich nur insofern gefordert, sie niemals auch nur für einen
Augenblick aus den Augen zu lassen und die Hindernisse richtig anzulaufen. Die Probleme
reduzierten sich auf die Frage "hat sie Lust oder nicht". Hatte sie Lust, liefen wir einen
Nuller, hatte sie keine, liefen wir ein Dis, weil sie den Slalom dann nicht ordentlich machen
wollte oder eine Hürde unterlief. Korrigieren war bei Bunny nicht drin, dann wollte sie
überhaupt nicht mehr.
Mit Diddl als Sohn von Hank, der in dieser Zeit zu den schnellsten Hunden im Agility zählte
und Liz, die noch ein Stück schneller war, hatte ich die berechtigte Hoffnung einen
triebstarken, schnellen Hund zu bekommen, aber auch die Befürchtung, mit seiner Geschwindigkeit
vielleicht überfordert zu sein. Da Einbremsen von Diddl nach dem Motto 'lieber langsam und sauber'
niemals in Frage gekommen wäre, suchte ich nach einem Weg, wie ich mich an seine Geschwindigkeit
und er sich an meine Körpersprache gewöhnen könne.
Aus heutiger Sicht betrachtet, würde ich prinzipiell genauso wieder vorgehen. Allerdings
würde ich mehr Basistraining machen, etwas, was ich damals stark vernachlässigt habe. Die
Prioritäten lagen zu dieser Zeit eben auf einem anderen Gebiet. Mit Basistraining
meine z. B. 'Außen' - das Umrunden einer Hürde, 'Durch' - zwischen zwei Hürden durchlaufen,
'Weg' - einen Hindernis abweichend von der momentanen Lauflinie zu nehmen und Slalom-Eingänge.
So, nun genug der Vorrede, los geht's.
Der Tunnel
Von den Kontaktzonengeräten einmal abgesehen, die werden gesondert behandelt,
beginnt man sicherlich als erstes Gerät mit dem festen Tunnel, es ist schließlich das einfachste Gerät
beim Agility. Bei Diddl hat sich das Anlernen vom Tunnel erübrigt, er ist schon als
Welpe von sich aus beim Spazierengehen in jedem der bei uns reichlich vorhandenen
Wasserdurchlässe an den Feldwegen verschwunden.
Unabhängig davon aber trotzdem eine kurze Beschreibung, wie ich es denn gemacht hätte.
Außer dem Hundeführer (HF) mit Spielzeug, dem Hund und dem Tunnel befindet sich
nichts auf dem Trainingsgelände. Der Tunnel wird möglichst kurz zusammengeschoben, aber
ordentlich befestigt. Der Hund wird vor dem Tunnel, ganz dicht zum Eingang abgelegt,
das Spielzeug sichtbar für den Hund in einem Abstand von etwa 1 m hinter dem Ausgang.
Der HF steht neben dem Hund, gibt das Auflösekommando und bewegt sich gleichzeitig
vorwärts. Sollte es da Probleme dieser Art geben, daß der Hund den Tunnel nicht annimmt,
braucht man einen Helfer, der mit dem Spielzeug im Tunnelausgang wedelt. Der HF hat
dabei den Hund unmittelbar, schon fast im Eingang abgelegt, baut beim Hund ordentlich
Spannung auf und schickt ihn dann mit dem Auflösekommando in den Tunnel.
Die Hürde
Nun aber zu den Sprüngen und da zu der Hürde, damit haben wir angefangen.
Eigentlich ein ganz einfaches Gerät, das trotzdem
in vielen Fällen über Sieg oder Niederlage und Freude oder Frust entscheidet. Ich habe schon
in allen Leistungsklassen so oft tolle Läufe von wirklich gut trainierten Hunden und HF gesehen,
dann fällt irgendwo eine Stange und das war's dann. Das ist etwa so, als ob man beim Lotto
die Zahlen immer richtig hat, aber ständig vergißt den Zettel abzugeben. Nichts ist so nervig
wie ein toller Lauf und dann doch irgendwo ein Stangenfehler, womöglich war es dann noch die
letzte Hürde.
Bei anderen Geräten wie Slalom, Kontaktzonengeräten und Reifen kann man gezielt mit
bestimmten Maßnahmen und Hilfsmitteln trainieren, um evtl. Schwächen zu beseitigen.
Bei dem so einfachen Gerät wie der Hürde ist das ungleich schwieriger. Deswegen sollte
es das Ziel sein, daß der Hund von vorn herein lernt daß ein Sprung ein Sprung ist,
dieser ernst zu nehmen ist und keinesfalls etwas ist, wo man 'mal so eben durchrennt.
Aus diesem Grund habe ich Diddl nie durch Hürdenausleger laufen lassen, was hätte er da
auch lernen sollen, oder Small- und Mediumhöhen springen lassen. Natürlich fällt bei Diddl
auch gelegentlich eine Stange, aber daran bin ich in fast allen Fällen selber Schuld.
Ich habe beobachten können, wie einige wirkliche Spitzenhundeführer ihre jungen Hunde
in dieser Weise, mit den Hürdenstangen auf dem Boden zwischen den Auslegern, um dann nach
und nach die Sprunghöhen auf Small, Medium und Large zu legen, ausgebildet haben. Das
Tempo, daß diese jungen Hunde dabei schon gegangen sind, war beeindruckend. Nach meiner
Beobachtung und Einschätzung neigen diese Hunde dann aber in der Turnierpraxis doch dazu,
öfters 'mal eine Stange zu schmeißen.
Ob das nun tatsächlich eine Begleiterscheinung dieser Ausbildungsmethode ist oder die
Ursachen für die mangelnde konstante Sprungsicherheit ganz andere sind, wird wohl so einfach
nicht zu ergründen sein. Ich jedenfalls habe mich dafür entschieden zu warten bis Diddl
alt genug war, die volle Höhe zu springen und habe dann gleich mit 65 cm angefangen.
Diddl war bei seinem ersten Sprung seines Lebens über eine Hürde fast 14 Monate alt.
Da das Vertrauen in meine Körpersprache zum damaligen Zeitpunkt, was Exaktheit und Gleichmäßigkeit
betrifft, sehr begrenzt war, galt als oberste Maxime, Fehler zu vermeiden. Ebenso wie man
beim Anlernen von 'Platz' ja auch nicht unterschiedliche Bewegungsabläufe und Kommandos
verwendet, ist es mit der Körpersprache beim Agility. Wer hier bei einem was den Weg im
Parcours betrifft gleichen Bewegungsablauf des Hundes, als HF durch diffuse Körpersprache
jeweils unterschiedliche Signale an des Hund sendet und diesem dadurch zwangsläufig einen großen
Interpretationsspielraum läßt, oder besser gesagt zumutet, erreicht als Trainingsergebnis
das Gegenteil von dem was er eigentlich wollte. Je nach Wesen des Hundes hat er entweder
einen unsicheren Hund, der sich fast ängstlich an den HF klammert, in die Ausleger rennt
oder daran vorbei, seinen Absprung nicht findet weil er ständig mit den Augen am HF hängt,
oder zwischen den einzelnen Geräten dreht und dreht, weil er seinen Vorwärtstrieb
mangels geeigneter Signale vom HF nicht umsetzen kann, oder hat einen Hund, der sich dann
eben im Parcours die Geräte seiner Wahl sucht.
Da das alles ja nicht meiner Phantasie entspringt, sondern in vielen Trainingsgruppen als
Weg dahin und bei nahezu jedem Turnier als Ergebnis zu beobachten ist, war mir bewußt,
daß es nicht reicht, in der Ausbildung keine Fehler machen zu wollen, sondern zu überlegen,
was kann man von den Maßnahmen her tun um nun tatsächlich keine Fehler zu machen. Keine Angst,
man macht dann immer noch genügend.
Auch hier gilt, wer nichts macht, macht auch keine Fehler, oder anders formuliert, wer keine
Ablenkungen stellt, braucht auch keine zu fürchten. Ebenso wenig wie man seinem Sprößling
das Radfahren auf einem belebten Radweg beibringt, sollte der Hund nicht den ersten Sprung in
einem Parcours bei normalem Trainingsbetrieb machen. Bei Diddl habe ich eine einzelne
Hürde (mit Auslegern, Stange Länge: 130 cm, Ø: 5 cm) auf dem Trainingsplatz aufgestellt, die oberste Stange
auf 65 cm gelegt und darunter zwei weitere gekreuzt, so daß ein Unterlaufen ausgeschlossen
werden konnte.
Bei Diddl habe ich mich für Platz bei der Startprozedur entschieden, da ich schon bemerkt
hatte, daß er sehr unter Spannung kommt, wenn er 'Action' erwartet. Für diese Übung 1
habe Diddl mittig,
etwa 2 m vor der Hürde abgelegt. Ich selber habe links und seitlich von Diddl, aber etwas
näher zur Hürde, außerhalb der Linie zum Ausleger Position bezogen. In der rechten Hand
hatte ich, für Diddl sichtbar, sein Spielzeug. Warum nun gerade diese Position?
-
Mit dem kleinen Vorsprung zur Hürde konnte ich Diddl 'ziehen'
-
Durch den seitlichen Abstand hatte ich notfalls eine gerade Lauflinie
-
Durch den seitlichen Abstand konnte ich notfalls diagonal auf die Hürde zu laufen
Also die Position, um ein Ausweichen nach rechts nicht zu fördern und nach links
unterbinden zu können. Ich baute bei Diddl etwas Spannung auf, machte einen Schritt
nach vorne, gab das Auflösekommando 'Spring' und warf gleichzeitig das Spielzeug
über die Hürde. Es klappte und Diddl sprang dem Ball hinterher über die Hürde.
Ich wiederholte diese Übung, jetzt aber links geführt, es klappte wieder. Mutig geworden
stellte ich mich, rechts geführt hinter die Hürde um Diddl abzurufen. Dabei achtete ich
natürlich darauf, daß ich mit Diddl in Blickverbindung über die Hürde war, gab das
Auflösekommando, hob dabei den Arm mit dem Spielzeug und warf es in Diddls Laufrichtung
als er über die Hürde gesprungen war und landete. Es klappte und wir wiederholten das
Ganze von der anderen Seite. Die ganze Übung habe ich dann noch einmal von vorne
wiederholt, also insgesamt 8 Sprünge für Diddl, das war's dann für diesen Tag.
Daß ich dabei Diddl immer ganz toll gelobt habe und mit ihm nach jedem Sprung, wenn er
mit dem Spielzeug zum mir rannte, gespielt habe ist wohl selbstverständlich.
Tage später die zweite Lektion für Diddl. Die vorgenannte Übung 1 haben wir von jeder Seite
aus wiederholt, also vier Mal ist Diddl gesprungen und dann habe ich eine zweite Hürde,
in gerade Linie und in ca. 4 m Abstand aufgestellt. Auch in diese Hürden habe ich 2 Stangen
kreuzweise gelegt, um ein Unterlaufen zu vermeiden. Da das mit dem Abrufen sehr gut klappte,
habe ich ab bei der Übung 2 auf einen gemeinsamen Start verzichtet. Zwei Gründe dafür.
Der eine war, daß ich befürchtete Diddl an der zweiten Hürde vorbei zu ziehen und der
andere, eigentliche Grund war, daß ich Diddl von Anfang an vermitteln wollte, daß er am
Start zu warten hat, bis ich ihn rufe. Nichts ist schlimmer, als wenn man im Wettbewerb
nicht in der Lage ist seine Wunschposition im Parcours einzunehmen, weil der Hund vor
dem Starthindernis nicht liegen bleibt.
Ich kann das gleich an dieser Stelle einfügen, daß sich hier Probleme abzeichneten.
Nicht gleich am Anfang, aber dann als Diddl auf den Geschmack gekommen war und schon
kleine Sequenzen laufen durfte. Er konnte nicht mehr richtig 'Platz' machen,
seine Hydraulik klemmte sozusagen, blieb nicht mehr liegen, er robbte nach und stand auf.
Das zog sich über dann über Wochen hin, daß ich ihn ablegte, eine Position hinter der Hürde
einnahm, zu Diddl zurück ging, ihn auflöste, lobte und spielte. Das in jedem Training, aus
unterschiedlichen Distanzen und für Diddl immer unerwartet. Natürlich dabei auch zwischendurch
den 'Hampelmann' gemacht, um ihn zu provozieren. Blieb er liegen, dann auflösen, loben und
spielen. Mit Leckerchen war zu dieser Zeit bei Diddl wenig anzufangen, er war so unter Spannung, daß man
ihn praktisch hätte 'zwangsernähren' müssen. Heute ist er abgeklärter, jetzt ist er auch
- in Grenzen - für Leckerchen empfänglich.
Zurück zu Übung 2. Sie war ja nicht mehr als die erste Übung, nur daß ich zwischen den
Hürden stand. Es klappte alles sehr gut, auch das Abrufen hinter der zweiten Hürde, von beiden
Seiten. Für entscheidend daß das - auch dann die Übung 3 mit einer schrägen Hürde - so gut
funktioniert hat und Diddl nicht einmal unterlaufen hat oder an einer Hürde vorbei ist,
halte ich, was ich ja schon mehrfache erwähnt habe. Kein Ablenkung, kurze Distanzen,
kurze Übungszeit mit voller Konzentration, sowie wenig und dadurch auch wenig falsche
Bewegungen vom HF.
Bei der Übung 3 war schon eine kleine Richtungsänderung dabei, die Übung 4 (nicht im Plan gezeichnet)
war im Prinzip die Gleiche, lediglich stand die zweite Hürde nun im Winkel von 90 Grad zur Starthürde.
Mit diese Übungen 2 und 4 haben wir uns solange amüsiert, bis ich die Gewißheit hatte,
daß Lauflinie von Diddl und Körpersprache von mir 'perfekt' waren, bevor wir daran gingen
mit drei und mehr Hürden zu arbeiten.
Bevor ich dieses Kapitel fortsetzte, will ich gleich auf die unausgesprochene Frage
"Na und, was hat's denn nun gebracht, so anzufangen?" antworten, weil es aus der
Ergebnisliste von 2002 nicht deutlich wird und ich damals noch keine Turnierberichte
geschrieben habe. Nach vier Monaten Agility-Training machten wir Anfang August unsere ersten Turniere.
Bei den ersten drei Turnieren lief Diddl ein tolles Tempo, die Läufe waren flüssig und rund,
wir hatten keine Vw und keine Stangen- oder Kontaktzonenfehler. Für mich schon etwas überraschend,
wie gut es lief. Es wären alles schöne Nuller geworden, wenn wir nicht
jeweils am Slalom mit immer drei Vw und Dis gescheitert wären. Da stimmte das Timing
bei mir überhaupt nicht, aber die Richtigkeit meines Vorgehens beim Training sah ich doch durch diese,
vom Slalom abgesehen, 'fehlerfreien' Läufe bestätigt.
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