Vorbemerkung
Nachfolgend stelle ich dar, wie ich meinen zweiten Hund, Diddl, für Agility ausgebildet habe.
Ich war mir darüber klar, daß ich mit den Erfahrungen, die ich mit meinem langsamen
ersten Hund, Bunny, gewonnen habe, nur bedingt etwas anfangen kann. Deswegen sah ich die
Ausbildung von Diddl als eine gemeinsame Ausbildung von uns beiden.
Ich nehme für mich nun nicht in Anspruch im Besitz der 'absoluten Wahrheit' zu sein;
ich stelle nur die Methodik dar, nach der ich Diddl - und mich - aufgebaut habe.
Es mag ein jeder selber an Hand der von uns erzielten Ergebnisse beurteilen,
ob diese Methode gut oder schlecht, richtig oder falsch, geeignet oder ungeeignet
war. Tatsächlich läßt sich dies ohnehin nicht wirklich beurteilen, weil man
ein und den selben Hund nicht vergleichend nach zwei unterschiedlichen Methoden
ausbilden kann.
Ich kenne exzellente Hundeführer im Agility, die den Aufbau eines Junghundes nicht in
dieser etwas betulichen Art und Weise vornehmen, z. B. den Hund wochenlang nur
eine Hürde oder zwei in Folge springen lassen. Sie beginnen mit Hürdenauslegern und Stangen
am Boden und das in Verbindung mit Tunneln. Sie sind führtechnisch perfekt und sind in der
Lage immer und zu jeder Zeit, dem Junghund den richtigen Weg durch ihre exakte Körpersprache
mitzuteilen.
Wer sich nicht zu dieser recht kleinen Gruppe zählt, sollte vielleicht die nachstehenden
Grundsätze beherzigen. Oberste Maxime unserer Ausbildung war: JEDEN FEHLER VON VORN HEREIN
AUSSCHLIESSEN!
Denn jeder einzelne Fehler der beim Junghund im Aufbau gemacht wird, ich meine
z. B. jedes einzelne 'Amtunneleingangvorbeiziehen', jedes einzelne 'Anderhürdevorbeiziehen'
infolge falscher Körpersprache ist definitiv ein Schritt zurück. Überträgt man das auf den
Bereich der Unterordnung wäre es so, als ob man für das Hinlegen des Hundes immer
differierende Kommandos verwenden würde.
Was für ein Ausbildungsziel steht am Ende einer nicht endenden Ausbildung?
Wir wollen mit dem Hund ein Team sein, daß mit großer Freude Agility betreibt und bei dem
sich unser Partner Hund in absoluter Harmonie mit uns, dem Menschen befindet und jedes von
uns ausgehende Signal in unserem, ihm antrainierten Sinne interpretiert und im Parcours
entsprechend umsetzt.
Trainingsgrundsätze
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Der Hund hat immer recht
So wie der Hund läuft ist es richtig! Er orientiert er sich ausschließlich
am Hundeführer, der ihm den Weg - wie auch immer - genau so gezeigt hat. Läuft
er 'falsch' ist das allein die Verantwortung des Hundeführers. Den Hund hier zu korrigieren
ist kontraproduktiv und trägt nur zu seiner Verunsicherung bei.
Vor allem für Anfänger und Hundeführer mit diffuser Körpersprache scheint mir das
sehr wichtig zu sein - ich weiß wovon ich rede! Wie oft sieht man das bei Turnieren, der Hund wird falsch geschickt und anschließend
korrigiert, in vielen Fällen noch dazu ärgerlich.
Der Hund macht nie einen Fehler
Es wäre absurd anzunehmen, daß ein Hund vorsätzlich handelt. Dies wäre aber
die Voraussetzung dafür, daß der Hund einen Fehler macht und z. B. ein falsches Gerät nimmt.
Der Hund interpretiert nur das, wie wir ihn
führen. Ursachen für Fehler sind daher ausschließlich falsches Verhalten des
Hundeführers oder Überforderung des Hundes. Letzteres ist im weitesten Sinne
natürlich auch bereits schon falsches Verhalten des Hundeführers.
'Mund halten' - nur die Körpersprache zählt
Vom Grundsatz her orientieren sich 'Jäger' an den Körperbewegungen der 'Gejagten'.
Dies tut der Hund auch im Agility. Er orientiert sich ausschließlich an unserer
Körpersprache. Selbst bei sehr erfahrenen Hunden läßt sich beobachten, daß sie
ein Wortkommando ignorieren und der Körpersprache folgen, wenn beide nicht
übereinstimmen.
Wortkommandos im Parcours sollen nur gezielt für bestimmte Situationen eingesetzt werden,
z. B. um beim Hund eine Kopfdrehung zu bewirken und damit seinen Blick von einem 'falschen'
Gerät abzulenken. Andauernde Wortkommandos haben einen inflationären Effekt!
Niemals in einem Parcours trainieren
Wie sieht der Hund aus seiner Perspektive einen Parcours? Er sieht ein Wirrwarr von
senkrechten und waagrechten Gegenständen. Die Logik z. B. einer Hürde mit Auslegern
und Stange kann er zunächst nicht erkennen. Wie immer er läuft, er sieht stets immer irgend welche
Gegenstände. Zu interpretieren, was wir von ihm wollen, fällt ihm daher
außerordentlich schwer, bzw. es ist für ihn zunächst unmöglich.
Nur wenige Hindernisse aufbauen
Das schließt an das vorher Gesagte an. Nur das aufstellen, was man für die
jeweilige Sequenz benötigt und so stellen, daß Fehler von vorn herein
ausgeschlossen sind. Durch das Schaffen von optimalen
Bedingungen können Fehler nahezu ausgeschlossen werden. Wo keine Verleitung
oder Ablenkung existiert, kann dies auch nicht die Ursache für einen Fehler
sein. Außerdem - und da gehe ich von mir selber aus - wer bewegt sich schon
derart exakt in einem Parcours, daß es absolut unmißverständlich für den noch
unerfahrenen Hund ist?
Immer den Hund bestätigen
Es soll etwas ganz Tolles für den Hund sein, Agility zu machen und auf dem
Trainingsplatz zu sein. Daher nur kurze Sequenzen trainieren und den Hund sofort
bei sich bestätigen, unabhängig vom Grad der eigenen Zufriedenheit. Also,
unabhängig
davon, ob die Sequenz aus unserer Sichtweise 'richtig' oder 'falsch' war.
Nicht alle Hunde sind triebstark. Aber auch bei den Triebstarken ist das enorm
wichtig, weil über das Spiel
als Bestätigung die Aufmerksamkeit des Hundes gegenüber dem Hundeführer deutlich
erhöht wird. Außerdem, wie würden wir uns fühlen, wenn wir etwas lernen sollen,
dabei unser Bestes geben und dann von einer barschen Stimme hören 'NEIN, HIER HER'.
Nur kurze Zeit trainieren
Die Konzentration vom Hund und Hundeführer ist wichtig für den Lernerfolg.
Nur wer voll konzentriert ist, ist auch aufnahmefähig.
Zu langes Training wirkt kontraproduktiv. Deswegen jeweils höchstens fünf
verschiedene Sequenzen trainieren. Außerdem wird dadurch auch einer
physischen Überforderung des noch jungen Hundes entgegen gewirkt.
Oft und kurz anstatt wenig und lange.
Erst mit 12 bis 14 Monaten anfangen
Vom Kontaktzonentraining abgesehen, sollte man mit dem Training so spät wie möglich beginnen,
um Spätschäden und vorzeitigem Verschleiß entgegen zu wirken. Machen wir uns nichts vor, Agility ist für die
Hunde eine stark den Verschleiß fördernde Sportart, weniger die Turniere, als viel mehr
das Training.
Ich halte daher absolut nichts davon, mit dem noch nicht ein Jahr alten Junghund zu beginnen,
ihn durch die Hürdenausleger mit Stangen am Boden und durch Tunnel laufen lassen und nach und nach
die Sprunghöhen zu erhöhen. Drei Gründe sprechen aus meiner Sicht dagegen:
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Die nicht festen Gelenke, Bänder, Knorpel werden in einer Weise beansprucht, die zu Spätschäden
führen kann. Der Hund rennt nicht 'seinen' Weg, sondern den von einem mehr oder minder begabten
Hundeführer 'erzwungenen', mit den möglichen Begleiterscheinungen wie Ausbremsen und Stauchen.
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Was lernen die Hunde dabei? Wenig bis nichts, außer Rennen, Rennen und noch 'mal Rennen.
Ich kenne einige Hunde, die regelrechte 'Stangenschubser' sind. Ihnen ist so eine Stange da
zwischen den Auslegern völlig egal, ihre Priorität ist das Tempo, das haben sie schließlich
gelernt. Das in den Griff zu kriegen dauert, wenn überhaupt.
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Bei den 'neuen' Teams, die jetzt so in das Geschehen eingreifen und bei denen die Junghunde
so aufgebaut wurden, kann ich keinerlei führtechnische Vorteile erkennen, eher sprungtechnische
Nachteile. Warum dann das Ganze, es ist wohl hauptsächlich nur die Ungeduld der Hundeführer die sie
so früh zum Anfangen treibt.
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Von Kathrin am 15. Feb. 2011 09:37:
Ja, das ist schade und auch meiner Meinung nach nicht nötig. Man kann sich auch so sehr schön beschäftigen: Den Slalom, die Kontaktzonen, das alles braucht ja ohnehin viel Zeit, ich denke, für den Junghund absolut ausreichend.
Von Anna am 28. Jan. 2011 02:51:
Aus aktuellem Anlass...
"Ich halte daher absolut nichts davon, mit dem noch nicht ein Jahr alten Junghund zu beginnen, ihn durch die Hürdenausleger mit Stangen am Boden und durch Tunnel laufen lassen und nach und nach die Sprunghöhen zu erhöhen. Drei Gründe sprechen aus meiner Sicht dagegen:
◦Die nicht festen Gelenke, Bänder, Knorpel werden in einer Weise beansprucht, die zu Spätschäden führen kann. Der Hund rennt nicht 'seinen' Weg, sondern den von einem mehr oder minder begabten Hundeführer 'erzwungenen', mit den möglichen Begleiterscheinungen wie Ausbremsen und Stauchen.
◦Was lernen die Hunde dabei? Wenig bis nichts, außer Rennen, Rennen und noch 'mal Rennen. Ich kenne einige Hunde, die regelrechte 'Stangenschubser' sind. Ihnen ist so eine Stange da zwischen den Auslegern völlig egal, ihre Priorität ist das Tempo, das haben sie schließlich gelernt. Das in den Griff zu kriegen dauert, wenn überhaupt.
◦Bei den 'neuen' Teams, die jetzt so in das Geschehen eingreifen und bei denen die Junghunde so aufgebaut wurden, kann ich keinerlei führtechnische Vorteile erkennen, eher sprungtechnische Nachteile. Warum dann das Ganze, es ist wohl hauptsächlich nur die Ungeduld der Hundeführer die sie so früh zum Anfangen treibt. "
Das möchte ich so unterstreichen, und zwar dick und fett.
Ich hatte gehofft (bzw. hoffe immer noch), das mehr Sportler dies beherzigen würden. Leider ist es im Moment so, dass immer früher mit dem Junghundetraining angefangen wird um besser vorne mitzuhalten.
Schade.
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